Irrtümer über Hufrehe, die deinem Pferd schaden können

Inhaltsverzeichnis:

Hufrehe

Was ist Hufrehe – und warum ist sie so gefährlich?

Hufrehe (Laminitis) ist eine der schmerzhaftesten und folgenschwersten Erkrankungen beim Pferd. Sie betrifft die Huflederhaut, das empfindliche Bindegewebe zwischen Hufwand und Hufbein, das bei einer akuten Entzündung zerstört wird. Die Folge: Das Hufbein kann sich absenken oder im schlimmsten Fall durch die Hufsohle durchbrechen – ein medizinischer Notfall.

Warum Hufrehe kein “Saisonproblem” ist

Viele Halter denken bei Hufrehe nur an zu viel Gras im Frühling – doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. In Wahrheit ist Hufrehe eine multifaktorielle Stoffwechselerkrankung, die ganzjährig auftreten kann – ausgelöst durch Fütterungsfehler, hormonelle Störungen oder Überbelastung.

Wer ist besonders gefährdet?

  • Ponys und leichtfuttrige Rassen
  • Pferde mit Übergewicht
  • Tiere mit Equinem Metabolischem Syndrom (EMS) oder Cushing-Syndrom (PPID)
  • Pferde nach Erkrankungen (Kolik, Geburtskomplikationen, Infektionen)

Ursachen und Auslöser von Hufrehe

Hufrehe ist keine eigenständige Erkrankung, sondern eine Symptomatik, die durch verschiedene Auslöser verursacht wird. Das bedeutet: Wer die Ursache kennt und kontrolliert, kann Reheschübe oft verhindern oder frühzeitig abfangen.

1. Fütterungsbedingte Hufrehe (Futterrehe)

Der häufigste Auslöser – insbesondere im Frühling oder nach Futterumstellungen:

  • Zuckerreiche Weiden (junges Gras mit hohem Fruktangehalt)
  • Kraftfutter-Überversorgung
  • Plötzlicher Zugang zu Getreide, Silage oder Fallobst
  • Heulage mit unbekannten Zuckerwerten

Diese Zucker und Stärke führen zu einer gestörten Darmflora → Bakterien sterben ab → Giftstoffe (Endotoxine) gelangen ins Blut → entzündliche Reaktion in der Huflederhaut.


2. Hormonell bedingte Hufrehe

Zunehmend häufiger, besonders bei älteren Pferden oder leichtfuttrigen Rassen:

  • Equines Metabolisches Syndrom (EMS): Insulinresistenz, oft verbunden mit Fettleibigkeit
  • Cushing-Syndrom (PPID): Chronische Hormonstörung, meist bei Pferden über 15 Jahren

Wichtig: Diese Pferde können bereits bei normalen Grasverhältnissen oder minimalem Futterüberschuss einen Reheschub entwickeln – ohne Vorwarnung.


3. Mechanische Hufrehe (Belastungsrehe)

Tritt einseitig auf, wenn ein Bein übermäßig belastet wird – z. B. bei:

  • Lahmheit am anderen Bein
  • Unzureichender Bewegungsausgleich bei Stallruhe
  • Verletzungen oder Operationen

Durch die Dauerbelastung staut sich der Blutfluss → Entzündung der Huflederhaut.


4. Toxische Hufrehe

Selten, aber möglich – durch:

  • Gebärmutterentzündungen (Nachgeburtsverhalten)
  • Vergiftungen (z. B. Schimmel im Futter)
  • Blutvergiftungen nach Kolik oder Infektionen

Die Giftstoffe gelangen über das Blut in die Huflederhaut und lösen die Entzündungsreaktion aus.


5. Stress und Kreislaufprobleme als Verstärker

Kälte, Hitze, Transport, Überforderung – all das kann den Kreislauf destabilisieren und die Versorgung des Hufgewebes verschlechtern. In Kombination mit anderen Auslösern erhöht das die Rehe-Gefahr drastisch.

Symptome: So erkennst du Hufrehe bei deinem Pferd

Hufrehe kann schleichend beginnen oder plötzlich auftreten – in beiden Fällen gilt: Je früher erkannt, desto größer die Chance auf vollständige Genesung. Viele Pferdebesitzer übersehen jedoch die ersten Warnzeichen, weil sie oft subtil wirken.

1. Frühe Warnzeichen („subklinische Rehe“)

Diese Phase wird oft nicht erkannt, ist aber entscheidend für die Prävention:

  • Steifheit beim Anlaufen, besonders nach Ruhephasen
  • Kurze, zögerliche Schritte – v. a. auf hartem Boden
  • Pferd wirkt „tragefaul“ oder „unwillig beim Hufgeben“
  • Leichte Pulsation an den Fesselarterien spürbar
  • Geringfügig erhöhte Hufsohlentemperatur

👉 Tipp: Wer sein Pferd gut kennt, erkennt diese feinen Veränderungen im Verhalten schneller.


2. Akute Hufrehe: Deutliche Symptome

Sobald die Entzündung der Huflederhaut stärker ausgeprägt ist, treten folgende Merkmale auf:

  • Klassische Rehehaltung:
    Das Pferd verlagert das Gewicht nach hinten, um die Vorderhufe zu entlasten – oft mit vorgestreckten Vorderbeinen
  • Heißer Huf:
    Der betroffene Huf fühlt sich auffällig warm an
  • Starker Hufpuls:
    Die Fesselarterie pocht stark – besonders an der Innenseite des Fesselgelenks tastbar
  • Schmerzen und Bewegungseinschränkung:
    Das Pferd zeigt Unwillen zu gehen, lahmt deutlich oder steht regungslos
  • Widerstand beim Hufgeben oder Beschlagen

3. Chronische Hufrehe: Langzeitfolgen bei unbehandelter Erkrankung

Wird ein akuter Schub nicht rechtzeitig behandelt, drohen irreversible Schäden:

  • Absenkung oder Rotation des Hufbeins
  • Durchbruch des Hufbeins durch die Sohle
  • Hufverformungen (z. B. Rehe-Ringe, flache Sohle, Hufabsatz)
  • Dauerhafte Lahmheit oder chronische Schmerzen

4. Unterschiedliche Ausprägung je nach Huf

Meist sind die Vorderhufe betroffen, weil sie den Großteil des Körpergewichts tragen. In seltenen Fällen können auch alle vier Hufe oder nur die Hinterhufe betroffen sein – z. B. bei Belastungsrehe.


Diagnose: So stellt der Tierarzt Hufrehe zweifelsfrei fest

Je früher Hufrehe erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Eine schnelle und präzise Diagnose durch den Tierarzt ist deshalb entscheidend – insbesondere, um die Auslöser zu identifizieren und Folgeerkrankungen zu verhindern.

1. Anamnese und klinische Untersuchung

Zunächst erfolgt die Befragung des Besitzers:

  • Gab es kürzlich Futterumstellungen, Weidegang, Medikamentengaben oder Geburten?
  • Hat das Pferd Vorerkrankungen wie Cushing oder EMS?
  • Zeigt es Verhaltensveränderungen oder Lahmheiten?

Dann wird das Pferd sorgfältig untersucht:

  • Abtasten der Fesselarterien (Pulsation)
  • Temperaturmessung der Hufe
  • Beurteilung der Haltung und Bewegungsfreude
  • Kontrolle auf Schmerzen beim Hufauskratzen oder -geben

2. Hufzange und Sohlendrucktest

Mit einer Hufzange prüft der Tierarzt die Schmerzempfindlichkeit an bestimmten Hufbereichen (v. a. im Zehenbereich). Dieser Test ist sehr aussagekräftig bei akuter Rehe.


3. Röntgenuntersuchung – der Goldstandard

Ein Röntgenbild des Hufs zeigt, ob und wie stark das Hufbein bereits geschädigt ist:

  • Rotation des Hufbeins
  • Absenkung (Senkung des Hufbeins Richtung Sohle)
  • Beurteilung der Hufbeinspitze und Sohlendicke

Das Röntgen hilft auch, den Verlauf der Erkrankung zu dokumentieren und den Therapieplan individuell anzupassen.


4. Blutuntersuchung (bei Verdacht auf Stoffwechselstörungen)

  • Insulin- und Glukosespiegel: Hinweise auf EMS oder Insulinresistenz
  • ACTH-Wert: Nachweis von Cushing (PPID)
  • Entzündungsparameter (bei toxisch bedingter Rehe)

5. Ausschluss anderer Lahmheitsursachen

Gerade bei schleichenden Symptomen müssen auch andere Ursachen wie Huflederhautentzündung, Hufabszesse oder orthopädische Probleme ausgeschlossen werden.

Behandlung: Was tun bei akuter und chronischer Hufrehe?

Eine Hufrehe ist ein medizinischer Notfall. Die Behandlung zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern, die Entzündung zu stoppen und die Hufmechanik zu stabilisieren, bevor bleibende Schäden entstehen. Je früher die Therapie beginnt, desto besser die Heilungschancen.


1. Sofortmaßnahmen bei Verdacht auf akute Rehe

  • Bewegung sofort einstellen: Pferd ruhigstellen, Boxenruhe verordnen
  • Weicher Untergrund: Tiefe Einstreu (Stroh oder Sägespäne), um Druck vom Huf zu nehmen
  • Kühlen der Hufe: Mit Wasser, Crushed Ice oder speziellen Kühlgamaschen – ideal in den ersten 48 Stunden

2. Entzündungshemmende Medikamente

  • Phenylbutazon oder andere nicht-steroidale Entzündungshemmer zur Schmerzlinderung und Eindämmung der Entzündung
  • Bei Bedarf auch Heparin oder andere gefäßerweiternde Mittel zur Förderung der Durchblutung

3. Diät und Futterumstellung

  • Sofortiger Entzug von Kraftfutter, Getreide und Weidegras
  • Raufutter in kontrollierter Menge, möglichst zucker- und stärkearm (analysiertes Heu!)
  • In EMS-/Cushing-Fällen: gezielte Futterpläne mit stoffwechselangepassten Ergänzern

4. Hufpflege und orthopädische Maßnahmen

Ein erfahrener Hufschmied oder Huforthopäde ist nun unerlässlich:

  • Entlastende Korrektur der Hufstellung
  • In akuten Fällen: Polster oder Reheplatten zur Druckverteilung
  • Bei chronischer Rehe: ggf. Spezialbeschläge oder therapeutische Barhufkorrektur

👉 Eine gute Zusammenarbeit zwischen Tierarzt und Hufbearbeiter ist hier der Schlüssel zum Erfolg.


5. Langfristige Betreuung bei chronischer Hufrehe

  • Regelmäßige Röntgenkontrollen, um Fortschritte zu dokumentieren
  • Stoffwechselunterstützende Fütterung, idealerweise mit Blutwertkontrolle
  • Wiederaufbau nach Rehe: Schrittweise Bewegung, angepasst an die Belastbarkeit des Pferdes

6. Behandlung der Grunderkrankung

Wenn EMS oder Cushing vorliegt, muss diese gezielt medikamentös und diätetisch mitbehandelt werden:

  • Cushing: Behandlung mit Pergolid (Prascend®)
  • EMS: Gewichtsreduktion, Training und gezielte Futterumstellung

Nachsorge und Rückfallprävention bei Hufrehe

Ein Reheschub mag überstanden sein – doch die eigentliche Arbeit beginnt jetzt: Rückfälle sind häufig, besonders wenn die Auslöser nicht dauerhaft beseitigt werden. Eine strukturierte Nachsorge und konsequente Haltung sind entscheidend, um dein Pferd langfristig gesund zu erhalten.


1. Langsame und kontrollierte Bewegung

  • Nach der akuten Phase ist kontrollierte Bewegung wichtig für die Durchblutung und den Heilungsprozess.
  • Beginne mit Führtraining auf weichem Boden – keine Belastung auf hartem Untergrund.
  • Kein Koppelgang ohne tierärztliches Okay!

2. Regelmäßige Hufpflege und Kontrollen

  • Alle 4–6 Wochen Hufkorrektur durch einen erfahrenen Rehe-erfahrenen Hufbearbeiter
  • Röntgenkontrollen bei chronischen Fällen – mindestens 1–2 Mal jährlich
  • Hufe auf Temperatur, Pulsation und Formveränderung regelmäßig selbst prüfen

3. Dauerhafte Futterumstellung

  • Nur analysiertes, zuckerarmes Heu füttern (weniger als 10 % Zuckergehalt)
  • Kein Kraftfutter, keine Leckerlis mit Melasse oder Getreide
  • Evtl. Maulkorb bei Weidegang oder kompletter Weideverzicht, besonders bei EMS/Cushing-Pferden

💡 Tipp: Fütterungstagebuch führen, besonders bei Wetterumschwüngen und Fruktan-gefährlichen Tagen.


4. Stoffwechsel dauerhaft unterstützen

  • Bei EMS: Gewichtskontrolle, ggf. Zusatzfutter für Insulinstabilität
  • Bei Cushing: Medikation mit Pergolid regelmäßig anpassen lassen
  • Jährliche Blutuntersuchungen zur Kontrolle von ACTH und Insulinwerten

5. Vermeide diese Rehe-Risiken im Alltag

  • Plötzlicher Weidezugang im Frühling oder nach Regen
  • „Leckerlis“ ohne Kontrolle der Inhaltsstoffe
  • Zu lange Boxenruhe ohne Bewegungsausgleich
  • Falscher Beschlag oder Hufwinkel
  • Stress und Belastung (Turnier, Umstallung, Transporte) ohne Vorbereitung

6. Monitoring: Frühwarnsystem etablieren

  • Tägliche Hufkontrolle (Temperatur, Puls, Bewegungsfreude)
  • Haltungsprotokolle, Fütterungsdokumentation, Fotodokumentation der Hufe
  • Bei Auffälligkeiten: sofort Tierarzt oder Hufbearbeiter kontaktieren

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Hufrehe beim Pferd

1. Was genau ist Hufrehe beim Pferd?

Hufrehe ist eine schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut, bei der sich das Hufbein vom Hufhorn lösen kann. Im schlimmsten Fall senkt sich das Hufbein ab oder durchstößt sogar die Hufsohle.

2. Was sind typische Auslöser von Hufrehe?

Zu den häufigsten Ursachen gehören zuckerreiches Futter (Fruktan), plötzlicher Weidegang, Cushing-Syndrom, Equines Metabolisches Syndrom (EMS), Vergiftungen und Überlastung eines Beines.

3. Woran erkenne ich die ersten Anzeichen einer Hufrehe?

Typisch sind eine Rehehaltung (nach hinten gelehnt), steifer Gang, warme Hufe, erhöhter Hufpuls sowie Unwilligkeit beim Gehen oder Hufegeben.

4. Was mache ich im akuten Rehefall zuerst?

Bewegung sofort stoppen, Pferd in eine weiche, tiefe Einstreu stellen und die Hufe kühlen. Dann schnellstmöglich den Tierarzt rufen – es ist ein Notfall!

5. Kann man Hufrehe vollständig heilen?

Akute Hufrehe kann vollständig ausheilen – vorausgesetzt, sie wird frühzeitig behandelt. Bei chronischer Rehe bleiben jedoch oft dauerhafte Veränderungen im Huf zurück.

6. Wie wird Hufrehe diagnostiziert?

Durch klinische Untersuchung, Hufzangentest, Röntgenaufnahmen und bei Bedarf Blutuntersuchungen (z. B. ACTH, Insulin, Glukose).

7. Welche Pferde sind besonders gefährdet?

Ponys, übergewichtige Pferde, leichtfuttrige Rassen, EMS- oder Cushing-Patienten sowie Pferde mit wenig Bewegung oder unkontrolliertem Futterzugang.

8. Ist Weidegang mit Hufrehe überhaupt noch möglich?

Nur unter strenger Kontrolle: begrenzt, mit Maulkorb, vorzugsweise morgens oder bei niedrigem Fruktangehalt im Gras – oft nur nach tierärztlicher Freigabe.

9. Wie kann ich Hufrehe dauerhaft verhindern?

Durch kontrollierte Fütterung, Gewichtskontrolle, regelmäßige Hufpflege, gutes Haltungsmanagement und frühzeitige Behandlung von Stoffwechselerkrankungen.

10. Welche Rolle spielt der Hufbearbeiter bei der Rehetherapie?

Er ist neben dem Tierarzt eine zentrale Figur: Korrekte Stellung, entlastende Maßnahmen und regelmäßige Kontrolle entscheiden über Verlauf und Lebensqualität des Pferdes.


Weil mir das Wohl Ihres Pferdes am Herzen liegt:

Bei Fragen zu Hufrehe bei Ihrem Pferd, kontaktieren Sie mich gerne.

Ihr Dr. vet. Henning v. Lützow